Nachmittagsschulen im Libanon

Trotz allem – die Nachmittagsschulen in der Bekaa, Libanon

Lage im Libanon

Nach monatelangem, geradezu „choreografiertem” gegenseitigem Beschuss zwischen der schiitischen Hisbollah-Miliz und der israelischen Armee herrschte ab dem 23. September offener Krieg. Am 30. September marschierte die israelische Armee in den Südlibanon ein, in dem zwar überwiegend, aber nicht nur, Schiiten leben und die schiitische Hisbollah als Militärmacht sehr stark war. Die Hisbollah ist aber auch eine reguläre libanesische Partei mit 15 Abgeordneten im Parlament und zwei Ministern in der Regierung sowie eine wichtige Wohlfahrtsorganisation, die zahlreiche Gesundheits- und Schuleinrichtungen unterhält.

Um die 1,3 Million Menschen flohen in Richtung Norden – auch Geflüchtete aus Syrien. Weite Teile des Südlibanons sind zerstört, Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht, der Boden ist teilweise durch weißen Phosphor ruiniert, von 36 beschossenen Krankenhäusern wurden 18 so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr arbeiten konnten. Auch in anderen Landesteilen, z.B. ganz im Norden und in der Stadt Tripoli sowie in der nördlichen Bekaa-Ebene, schlugen Raketen und Bomben ein. Das unabhängige libanesische Newsportal L’Orient Today meldete am 13. November, dass 3,287Menschen getötet und über14,222 verwundet worden waren. Inzwischen ist die Hisbollah sehr geschwächt, die wichtigsten Anführer getötet. Seit Anfang Dezember 2024 besteht ein (brüchiger) Waffenstillstand – bis Ende Januar 2025 ….

Bei weitem nicht alle Libanesen unterstützen die Hisbollah, auch nicht alle Schiiten. Die überwiegende Mehrheit hatte sich gegen einen Krieg ausgesprochen. Aber dann lebten alle – LibanesInnen und Geflüchtete aus Syrien – täglich in der Angst, dass es auch sie treffen könnte. Wie real diese Gefahr war, zeigt das Beispiel eines gezielten Raketenangriffs ohne Vorwarnung auf die deutsch-libanesische Tagungs- und Begegnungsstätte Dar Assalam (Haus des Friedens) 40 km südlich von Beirut, bei dem sechs Menschen getötet und mindestens 12 verletzt wurden (siehe Monitorbeitrag vom 24.10.2024: Krieg im Libanon: Raketen auf Zivilisten). Wie schon nach der gigantischen Explosion Anfang August 2020 hatten dort Menschen in Not – fast 100 Vertriebene aus dem Süden, die alle den Betreibern persönlich bekannt waren – Zuflucht gefunden. Wie sich herausstellte, eine trügerische. Wir kennen dieses Haus und die Menschen dort sehr gut, haben mit der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Ausflüge dorthin organisiert, Tagungen veranstaltet, waren zu Veranstaltungen und auch privat dort.

Situation der Geflüchteten aus Syrien

Laut der letzten verfügbaren Angabe der UN lebten Ende September 2024 immer noch 768.000 offiziell registrierte syrische Geflüchtete, geschätzt fast noch einmal so viele nicht-registrierte, im kleinen Libanon mit seinen ca. 5,5 Millionen Einwohnern. Seit Kriegsbeginn gingen über 250.000 Syrer nach Syrien zurück damals noch in das Assad- Regime. Am 8. Dezember wurde es zwar überraschend schnell gestürzt, aber die Versorgungslage ist nach wie vor katastrophal, die Infrastruktur weitgehend zerstört, und die Wirtschaft am Boden. Zum Glück besteht inzwischen nicht mehr die Gefahr verhaftet oder zwangsrekrutiert zu werden, in Folterkellern zu landen oder einfach zu ‚verschwinden’. Alles ist im Fluss … wie es weitergeht, in welche Richtung sich das Land entwickelt, kann niemand genau sagen.

Die Situation der syrischen Geflüchteten im Libanon war immer prekärer geworden: Nicht nur für Politik und Behörden wurden sie immer mehr zum Sündenbock für alles, v.a. auch die katastrophale wirtschaftliche Lage, sondern auch die Ressentiments der Bevölkerung entwickelten sich immer mehr zu Hass auf sie. Nicht ganz unverständlich angesichts der Lage, in der sich die ‚normale‘ libanesische Bevölkerung befindet. Viele syrische Männer trauten sich kaum mehr aus ihren Zelten, weil sie Gefahr liefen, von Armee oder Polizei aufgegriffen, an die Grenze verfrachtet und abgeschoben zu werden. Seit dem Sturz des Assad-Regimes sind nun v.a. viele Männer zurückgegangen, um zu sondieren, wie die Lage für eine Rückkehr aussieht.

Die Nachmittagsschulen

Die kleine NGO Society for Social Support and Education (im Folgenden SSSE), die drei Nachmittagsschulen für ca. 1.300 syrischen Flüchtlingskinder im Alter von vier bis 14 Jahren in der Bekaa unterhält, macht trotz allen Problemen unermüdlich weiter. Das Schuljahr 2023/24 schlossen 61 Jugendliche mit einem vom libanesischen Bildungsministerium anerkannten Zertifikat ab. 52 von ihnen konnten auf weiterführende Schulen vermittelt werden; 24 weitere hatten zwar bestanden, erhielten aber kein Zertifikat, weil sie, bzw. ihre Familien, keine gültigen Papiere haben ….  

Für alle Schulen im Libanon sollte das neue Schuljahr Anfang Oktober beginnen. Aber sie blieben aufgrund der Kriegsereignisse geschlossen. In den öffentlichen Schulen wurden Vertriebene aus dem Süden untergebracht. Einige nahmen den Schulbetrieb wieder aufgenommen, nachdem die Vertriebenen in Sportstadien und andere öffentliche Gebäude verlegt wurden. Inzwischen sind viele in den Süden zurück, in der Hoffnung, dass der Waffenstillstand hält.

Die Nachmittagsschulen der SSSE, so genannt, weil sie am Nachmittag nach dem Unterricht für libanesische Kinder stattfinden, liegen in der südlichen Bekaa-Ebene. Dort hat es keine Bombardierungen gegeben, denn die Hisbollah ist vor allem in der nördlichen Bekaa-Ebene präsent. Der Unterricht für die Kinder der SSSE-Schulen lief zunächst per Video-Lehreinheiten, die über Whatsapp auf das Mobiltelefon der Familien zu den Schülerinnen und Schüler gelangten: „remote teaching” – gut eingeübt während der Pandemiezeit! Ab der letzten Oktoberwoche fand dann der Unterricht wieder in den Schulen statt, aber die Eltern mussten ihre Kinder hinbringen und abholen, was für viele ein Problem darstellte. Seit 4. November fahren auch die Schulbusse wieder und es findet regulärer Präsenzunterricht statt! Hoffentlich bleibt es so ….

Bislang sind nur einige wenige Familien, deren Kinder in diese Schulen gingen, nach Syrien zurückgegangen Auf die freigewordenen Plätze rückten umgehend neue Kinder nach.

Die SchülerInnen der Nachmittagsschulen gehören zu den unter 30% der syrischen Kinder im Libanon, die überhaupt die Möglichkeit haben, eine Schule zu besuchen. Was sie hier lernen und an Fähigkeiten erwerben, stärkt sie, und das auch darin, nicht auf einfache, radikalisierende Antworten hereinzufallen.

Für das Schuljahr 2024/25 ist die Finanzierung der Schule in Bar Elias über eine Stiftung gesichert, die Finanzierung der Schulen in Ghazze und Kamed el Loz zu Zweidritteln. Das letzte Drittel in Höhe von knapp 160.000 € müssen aus anderen Quellen über Fundraising von der SSSE aufgebracht werden.

Neben dem Betrieb der Nachmittagsschulen verteilt die SSSE wann immer möglich Lebensmittelpakete, im Winter auch warme Kleidung und andere Hilfsgüter, denn in der Bekaa kann es im Winter sehr kalt werden. Heftige Stürme mit Niederschlägen, oft als Schnee, sind nicht selten. Seit dem wirtschaftlichen Niedergang des Libanon verteilt die SSSE solche Hilfsgüter nicht nur an die Familien der SchülerInnen und LehrerInnen der Schulen, wie zuvor, sondern auch an bedürftige libanesische Familien, deren Anzahl massiv zugenommen hat.

Wie es aufgrund der Entwicklung in Syrien langfristig mit den Nachmittagsschulen weitergehen wird, kann niemand sagen. Kurz- und mittelfristig erwartet die Präsidentin der Trägerorganisation Society for Social Support and Education, Nimat Bizri, keine größeren Veränderungen. Es wird ein spannendes Jahr!

Berlin, 3. Januar 2025

Dr. Chris Lange

Mobil: 0152-0794-3935, E-Mail

Dr. Chris Lange lebte mit ihrem Mann, Jonas Weiß-Lange, von 2009 bis 2018 im Libanon. Er war dort Pfarrer der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Beirut, sie die Sozialarbeiterin. Davor war er 10 Jahre Pfarrer in Nikolassee und davor 10 Jahre in Dahlem. 

Spendenkonto
Kirchengemeinde Dahlem
Evangelische Bank
IBAN: DE68 5206 0410 3203 9663 99
Stichwort: „Nachmittagsschulen Bekaa”

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