Ukraine-Reise 2018

Jüdisches Leben in der Bukowina und Galizien einst und heute

Eine Reise in die „vergessene Mitte Europas“ (Lutz Kleveman), in ein Land, in dem Menschen und Bücher lebten (Paul Celan), eine Reise in die West-Ukraine, nach Czernowitz und Lemberg (Lviv), eine Reise in ein multiethnisches und tief religiöses Land mit zahlreichen historischen Verwerfungen, eine Begegnung mit dem literarischen, historischen und religiösen Erbe erwartet uns.

Zu dieser 10-tägigen Bildungsreise (offiziell genehmigt) versammelten sich am 26. August 2018 26 wissensdurstige und unternehmungslustige Seniorinnen und Senioren um unsere Reiseorganisatorin Susanne Goldschmidt-Ahlgrimm. Nach knapp 2 Stunden Flugzeit landeten wir in Lemberg/Lviv, wo wir von unserer ukrainischen Reisebegleiterin Tanja (deutschsprachig) aus Czernowitz und unserem umsichtigen Busfahrer Sascha schon erwartet wurden. Eine bessere Reiseorganisation und Führung, sowie eine sicherere Busfahrt hätten wir uns nicht wünschen können. Susanne, Tanja und Sascha gebührt unser höchstes Lob.

Aus dem Busfenster ergatterten wir erste Eindrücke von Lemberg /Lviv: breite Straßen, viele Menschen zu Fuß dahineilend, Busse und Straßenbahnen, herunter gekommene „Plattenbau-Wohnblöcke“, die eine umfassende Renovierung ersehnen, im Zentrum herrschaftliche Villen der Gründerzeit und Jahrhundertwende. Häuser in verschiedenen architektonischen Stilen, von denen häufig der Putz bröckelte: italienische Neo-Renaissance, Jugendstil und Anklänge an den Bauhausstil. Dazwischen säumen bemerkenswert viele Kirchen mit strahlend goldenen Kuppeln unseren Weg.

Wir verließen die Stadt und fuhren über Landstraßen zwischen Weizen-, Mais- und Sonnenblumenfeldern. Die unendlich weit gewellte Landschaft Galiziens nahm uns gefangen, auffällig die zahlreichen Brachlandflächen zwischendurch, nur vereinzelt Kühe und Ziegen am Straßenrand sowie Berge von Melonen und Kürbissen. Wir kamen durch Straßendörfer, an einfachen, niedrigen Katen mit liebevoll gepflegten Vorgärten und davon flatternden Hühnern vorbei. Der Zustand dieser Straße, die von Kaliningrad bis Odessa die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbindet, wechselte von gutem Ausbauzustand in eine reine Lochpiste, wo der Bus mit Tempo 20 km/h in Schlangenlinien um die schadhaften Stellen fuhr, ebenso die entgegen kommenden Fahrzeuge. Es herrschte reger Verkehr, hauptsächlich neu aussehende Mittelklassewagen mit ausländischen Kennzeichen, ein Steuertrick, wie wir erfuhren. Ein weit verbreitetes Problem ist bis heute die Korruption im Land. Im Bereich der Polizei gilt sie offiziell als beseitigt. Dennoch erlebten wir auf einer unserer Fahrten unmittelbar den martialischen Zugriff auf einen Polizisten, der offenbar Bestechungsgelder kassiert hatte, wie hinterher aus den Medien zu erfahren war.

Während der langen Autofahrten informierte uns unermüdlich, sachkundig und ausführlich Tanja über Geschichte, Land, Leute und alle Erscheinungen am Wegesrand, die uns auffielen und zu Nachfragen veranlassten. Die Ukraine, Grenzland am östlichsten Rand zur Steppe, Bollwerk gegen die Osmanen, hat in ihrer wechselvollen Geschichte zu mindestens 14 verschiedenen Staaten gehört, u. a. herrschten Polen und Litauer, das Zaren- und Stalinreich, Habsburger. Ukrainer (Ruthenen), Juden, Polen, Armenier und Deutsche lebten friedlich nebeneinander. 1876 erhielten alle religiösen Gruppen Gleichberechtigung, auch die Deutsch-Juden. Etwa jeder dritte Bürger hatte jüdische Wurzeln, sie gehörten zur Oberschicht oder waren Handwerker, Händler, Kaufleute und Schankwirte, sie sprachen deutsch, gingen auf deutsche Schulen, besuchten das deutsche Gymnasium. Sie hingen dem Zionismus an oder waren Sozialisten. Viele von ihnen wanderten nach Palästina aus, nach Polen, Deutschland oder auch Amerika.

Wir bewegen uns auf der Bukowinisch-Galizischen Literaturstraße, die im Gedenken an die deutsch-jüdischen Schriftsteller als gemeinsames Projekt mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland kürzlich eingerichtet wurde. Diese Straße verbindet von Brody bis Czernowitz Orte berühmter Schriftsteller, wie z.B.: Selma Meerbaum-Eisinger, Paul Celan, Manès Sperber, Salcia Landmann, Rose Ausländer.

Nach dem Mittagessen in Ternopil besichtigen wir in Czortkív z.B. das neu errichtete Denkmal von Karl-Emil Franzos (1848-1904), dessen eindrückliche Erzählungen in der Welt des osteuropäischen Judentums zwischen russischem Zaren- und österreichischem Kaiserreich eingebettet sind. Wie viele jüdische Mitbürger seiner Zeit glaubte er an eine Kultursymbiose: „Du liebe, junge, unfertige Stadt am Pruth, vielleicht bin ich nicht der rechte Mann, dich zu schildern,“ beschreibt er seine Heimatstadt….“vielleicht habe ich dich zu lieb, deine Schwächen zu besingen“.

Vier Tage lang tauchten wir ein in das multikulturelle und literarisch vielfältige Czernowitz, wie es unser Programm verspricht: „Wer diese Stadt durchwandert, dem treten so merkwürdig verschiedene, so überaus bunte Bilder vor die Augen, dass er sich immer wieder verwundert fragt, ob es dieselbe Stadt ist, in der er wandelt. Ost und West, Nord und Süd, und alle erdenklichen Kulturgrade finden sich da vereinigt…“ schreibt Emil Franzos.

„Die Literaturstadt Czernowitz“ ist Thema unseres Universitätsvortrags von Petro Rychlo. Schon seit der Angliederung der Bukowina (Buchenland) an das Habsburger Kronland 1775 setzte sich während der Aufklärung die deutsche Sprache durch und erlebte im 19. Jahrhundert eine erste Blütezeit. Sie war ein tragendes Bindeglied innerhalb der vielfältigen Ethnien. Nach dem 1. Weltkrieg blühte die deutsche Literatur noch einmal auf: es gab vier deutsche Tageszeitungen, daneben eine rumänische und jiddische Zeitung.

Der ferne Krieg lässt sich nur erahnen. Wir erfuhren, dass die Truppenstärke seit dem Krieg im Donbas deutlich vergrößert worden ist und die Armee Unterstützung durch amerikanische Militärberater erfährt. Die Ukraine erlebt sich wieder einmal als Grenzland, als Puffer zwischen Russland und der Europäischen Union. Eine unlösbare und belastende Situation.

Für unsere Augen überraschend ist der rege Zulauf der Menschen zu den Gottesdiensten der verschiedenen Denominationen der orthodoxen Kirchen. Menschen bekreuzigen sich, wenn sie an Kirchen vorbeigehen, strömen an Feiertagen mit ihren Familien im Sonntagsstaat in die Kirche, auch kleine Mädchen tragen, wie ihre Mütter, bunte Tücher als Kopfbedeckungen. Dazu Tanjas Bemerkung: “Wo Not herrscht, lernt man beten“.

In der Ukraine treffen wir auf verschiedene orthodoxe Kirchen: Russisch Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), Ukrainisch-Orthodoxe Kirche. Sie untersteht als Oberhaupt dem Metropoliten von Kiew. Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche ist eine Kirche, die zwar auch dem Byzantinischen Ritus folgt, aber kirchenrechtlich und organisatorisch dem Papst in Rom untersteht. Sie heißt auch unierte Kirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die galizischen Gebiete an die Ukrainische SSR angeschlossen. Die unierte Kirche wurde durch sowjetische Behörden mit der orthodoxen Kirche zwangsvereinigt; Priester und Ordensangehörige wurden verfolgt und ermordet. Die Unierte Kirche lebte weiter im Untergrund. Am 1. Dezember 1989 trafen sich Michail Gorbatschow und Papst Johannes Paul II. in Rom und schlossen ein Abkommen, das die UGKK wieder offiziell zuließ.
Eine Besonderheit stellt die Armenische Kirche dar. In Lemberg besichtigen wir die Marienkirche. Im Unterschied zu Orthodoxen Kirchen befinden sich in ihr Bänke und ein schlichtes Kreuz auf dem Altar ohne Kruzifix.

Viele Kontraste: streunende, aber friedliche Hunde überall, Bettler vor den Kirchen, die von den Gläubigen großzügig bedacht werden. Die Orthodoxie kennt keine Diakonie, auch das erklärt die Ansammlung von Bettlern.

Wir stehen vor dem Rathaus am Zentral-Platz. Sieben Straßen führen von, bzw. münden an diesem Platz ein; sie sollen die verschiedenen Ethnien versinnbildlichen, die einst diese Stadt bevölkerten und von der wechselvollen Geschichte dieser multinationalen Stadt erzählen.

Besonders beeindruckend war in Czernowitz der große Jüdische Friedhof oben auf einem der Hügel vor der Stadt. Unzählige Grabsteine und Monumente stehen dicht beieinander. Deutsche und hebräische Inschriften wechseln sich ab. Viele Steine sind abgesackt und stehen schief. Dazwischen wuchert das Unkraut nahezu ungehindert, was der ganzen Szenerie etwas Verlorenes gibt, dazu noch Nieselregen. Einige Gräberareale sind auffallend vom Unkraut befreit. Wir hören, dass in wenigen Tagen Herr und Frau Goosmann aus Dahlem mit einigen Aktion Sühnezeichen Friedensdienst-Freiwilligen eintreffen werden, um - wie schon seit vielen Jahren - Gräber und Steine zu säubern.

Aber dann eine Entdeckung: Das Grab von Frau Zuckermann (1908-2002) und daneben das von Herrn Zwilling (1908-1999), die Hauptpersonen in dem gleichnamigen Film, der vielen von uns Czernowitz näher gebracht hat. Er beschreibt die beiden als die letzten Juden von Czernowitz, damals Ende der Neunzehnhundertneunziger Jahre schon über 90 Jahre alt. Sie unterrichten Deutsch, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und vermitteln im Film ein sehr realistisches Bild der heutigen Zeit seit der Unabhängigkeit der Ukraine: Das Streben der jungen Leute Richtung Westen, die Deutsch und Englisch lernen.

Die problematische Seite dieser Situation beschreibt uns Tanja. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig sind, gehen viele junge Menschen in Polen, Tschechien etc. arbeiten. Zurück bleiben die Großeltern und Enkel. Es gibt viele zerrissene Familien und Drogenprobleme. Auch dies Folgen einer wechselvollen Geschichte. Tanja selbst hat einen Hilfsverein für diese Straßenkinder gegründet, wir wollen dafür bei uns kollektieren, denn die Arbeit mit einigen Sozialarbeiter/innen basiert ausschließlich auf Spendenbasis. Es gibt dafür keine öffentliche Unterstützung.

Die Bukowina kam durch die Versailler-Verträge zum rumänischen Fürstentum. Ende der 20er Jahre wurde Rumänisch als Amtssprache eingeführt, erst gegen Ende der 30er Jahre brach der schon latent vorhandene Antisemitismus offen aus. Rumänien orientierte sich an den Nationalsozialisten.

Die Ukraine war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs, der unermessliches Leid mit sich brachte. Im Ganzen kamen zwischen 6,5 und 7,5 Millionen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ums Leben. Infolge des Hitler-Stalin-Paktes (Nichtangriffspakt) drangen Wehrmachtsverbände 1939 bis weit in den Osten Polens vor. Als die sowjetischen Truppen im Herbst 1939 den Osten Polens, darunter das östliche Galizien besetzten, hatten die Deutschen schon Teile Lembergs besetzt. Sie beschossen die Stadt, die voller Flüchtlinge war, mit Artillerie. Als die Sowjets sich näherten zogen sich die Wehrmachtsverbände zurück. Die polnischen Verteidiger der Stadt Lemberg überließen die Stadt am 22.9.41 kampflos den Sowjets in der Hoffnung so Verbündete im Kampf gegen die Deutschen zu gewinnen. Diese erste sowjetische Besatzung dauerte nur 21 Monate.

Die sowjetischen Kommandeure verhafteten alle polnischen Offiziere brachten sie in verschiedene Straflager. Knapp 15 000 Offiziere wurden in Katyn heimlich hingerichtet. Im Februar 1940 kam es zu ersten Deportationen. Wer nicht fliehen konnte, nicht in extra eingerichteten Arbeitslagern den Tod durch Hunger, Erschöpfung, Typhus fand, nicht nach Sibirien deportiert worden war, fiel Pogromen zum Opfer, ca. 10 – 15.000 Juden wurden im Juli 1941 ermordet, darunter auch der Rabbiner und Kantor. Polen war nicht mehr existent, aufgeteilt zwischen 2 Großmächten. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion führte dann dazu, dass bis zum November 1941 die gesamte Ukraine von deutschen und (im Südwesten) rumänischen Truppen besetzt wurde. Teile der westukrainischen Bevölkerung hofften nun auf eine Verbesserung ihrer Situation. Die Ukrainische Unabhängigkeitsbewegung (OUN) wollte im Bündnis mit NS-Deutschland einen unabhängigen ukrainischen Staat  errichten. So arbeiteten Gruppen der OUN in der Westukraine mit der Besatzungsmacht zusammen und waren auch an der Ermordung von Juden beteiligt.

Es gab aber auch Rettungsaktionen. So wird z.B. vom Erzbischof berichtet, dass er den Oberrabbiner und weitere Juden bei sich versteckte. In der Stadt Drohobytsch in einer Gärtnerei, überlebten durch die schützende Hand des für die Abteilung Landwirtschaft verantwortlichen Wirtschaftsoffiziers Eberhard Helmrich etwa 200 Juden, weil sie für die kriegswichtige Produktion von Lebensmitteln gebraucht wurden. Nach 1944 kamen russische Juden in die unzerstörten Städte. Heute zählen die Juden nur noch ca. 0,02 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Die Begegnung mit den historischen Vorgängen machen uns klar, dass wir uns auf einer Reise in die „Verlorengegangenheit“ befinden. Die Ursprungsbevölkerung ist großenteils vernichtet oder vertrieben. Stätten der Verbrechen sind im öffentlichen Bewusstsein der heute hier lebenden Menschen kaum verankert. Sie werden erst jetzt langsam aufgedeckt. Rituale und Zeichen der Erinnerung gibt es kaum.

Eigenes Opfergedenken erlebten einige von uns in Lemberg an dem berüchtigten ehemaligen Konzentrationslager Janowska, Erschießungsplatz und Massengrab hinter dem Gefängnis, wie uns eine große Tafel (mitgestaltet von der giz ) auf Englisch informiert. Hier wurden 100.000 Juden aus Lviv und Galizien, Ukrainer und Polen etc. ermordet oder in das Vernichtungslager Belzec gebracht. Ein skurriler noch ungestalteter Ort. Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von den Nazis findet am 2.9.2018 eine Gedenkveranstaltung statt. Mit dabei: Bürgermeister, der stellvertretende Bürgermeister, Rabbinen, einige Honoratioren, die Überlebende Janina Hescheles-Altman, deutsche Förderer aus Köln. Das Collegium-Musicum, ein Orchester mit jungen Absolventen, spielt Gustav Mahlers 4. Symphonie.

Vorher Reden, Kaddisch, Kranzniederlegung. Alles abseits vom Stadtgeschehen und unbeachtet von der Bevölkerung. Unklar ist in der Erinnerungskultur die Reflexion der eigenen Rolle als Täter.

Lemberg ist voller Orte mit Erinnerungen an jüdisches Leben, die es zu entdecken gilt. Wir gehen durch die Judengasse, sie besteht seit Mitte 14. Jh., mit eigenem Stadtwappen, sehen Reste der Gettomauer, die als Sabbat-Grenze fungierte. 1937 gab es 57 Synagogen.

Die große Synagoge brannte Anfang Juli 1941 aus, ab dem 2. Juli Massenerschießungen durch die Nazis. Den Holocaust haben ca. 800 Juden überlebt.1959 ebneten die Sowjets den großen jüdischen Friedhof ein.

Wir besuchen eine Synagoge, in welcher zur Zeit Baumaterialien lagern und die zum Kulturzentrum ausgebaut wird. Auch eine aktive Synagoge lernen wir kennen. Ihr Rabbi kommt aus den USA – seine Frau brachte gerade ihr 16. Kind dort (!) zur Welt, so ist die Staatsbürgerschaft gesichert…

Die Stadt ist im Zentrum malerisch mit Gassen und Häuserreihen in unterschiedlich kombinierten Baustilen (Eklektizismus), reich verzierten Fassaden, vielen Kirchen, Straßenbahnen aus dem letzten Jahrhundert und großem Boulevard der Freiheit. Vor allem Einheimische bevölkern die Plätze und Parks. Interessant die unterschiedlichen Märkte, auf denen alle Waren des täglichen Lebens, wie in einem großen Open-Air-Kaufhaus erhältlich sind.

Für die Erkundungen der verschiedenen Orte hatte Tanja uns jeweils hervorragende und deutschsprachige Führer*innen ausgesucht, die uns eine Fülle von Wissen vermittelten. Insgesamt profitierten wir sehr von ihrer guten Auswahl der komfortablen Hotels und originellen Restaurants. Das Personal war jung und stets zuvorkommend. Wir haben uns sehr wohl gefühlt, auch im Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung.

Uns ist bewusst, dass wir in der westlichen Ukraine eine relativ positive Seite dieses gespaltenen Landes (flächenmäßig größtes Land Europas!) kennenlernen konnten. Wir haben unterschiedliche Rezeptionen der Geschichte wahrgenommen und erahnen die Schwierigkeiten einer sich noch entwickelnden angemessenen Erinnerungskultur.

Unsere Reise in großer Gemeinschaft ist wie die vorangegangenen des Fördervereins wieder sehr gelungen und für unseren gemeindlichen Zusammenhalt wertvoll. Diese aber trägt besonders zur Erweiterung unserer Geschichtskenntnisse jenseits des ehem. „eisernen Vorhangs“ und damit zur Aufarbeitung auch unserer Geschichte bei. Diese Facette, der christlich-jüdische Dialog vor dem Hintergrund der Bekennenden Kirche, ist ein wichtiger Schwerpunkt in unserem Martin-Niemöller-Haus: Erinnern-Lernen-Handeln als tragfähiges Motto für die Zukunft. Deswegen haben wir unseren engagierten Referenten, Dr. Serhij Osatschuk (Historiker, Honorarkonsul der Republik Österreich), der über die Entwicklung der Ukraine seit 1991 berichtete und dann offen und ehrlich mit uns ins Gespräch kam, zu einem Gegenbesuch in 2019 eingeladen. Er könnte an einem Abend im Niemöller-Haus wiederum über die Situation in seinem Land berichten, möchte im Staatsarchiv nachforschen, wer angeordnet hat, dass 2000 Juden in Czernowitz überleben durften (!) und er will ein Klezmer-Orchester mitbringen, das in Berlin gerne „auf Tournee“ gehen möchte. Wer sein Geld in der Ukraine ehrlich verdient, kann sich bei einem mtl. Durchschnittslohn von ca. 250,- Euro keine großen Sprünge oder gar Reisen leisten, auch nicht als Hochschullehrer oder Musiker der dortigen Philharmonie. Deswegen haben wir auch Tanja eingeladen, denn trotz ihres Germanistikstudiums konnte sie unser Land noch nie besuchen!

Liebe Leser/innen, Sie merken: Neben den schweren Themen, denen hier mehr Raum gewidmet wird, haben wir nette Begegnungen gehabt und auch viel Schönes erlebt. Wir waren in der prächtigen Lemberger Oper (ähnlich der Wiener Hofoper), Tanja hatte für uns ein Klezmer-Konzert organisiert, wir haben Kamjanez-Podilskyy eine Burg besichtigt, Weltkulturerbe-Holzkirchen an abgelegenen Orten entdeckt und wissen jetzt wie Erdöl in Boryslav entdeckt, gefördert und – vorübergehend - zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt wurde, wir sind über Märkte geschlendert und haben in herrlichen Cafés in der Sonne gesessen.

Berlin, im Oktober 2018
Christiane Holstein und Ellen Wagner

 

 

 

 

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